In der modernen Arbeitswelt fehlen häufig Möglichkeiten zur Entschleunigung – Stress, Krankheiten und erhöhte Fehlzeiten sind die Folge. Dr. Martin Morgenstern kennt die Risikofaktoren und Folgen, die der gegenwärtige Arbeitsalltag bereithält. Im Interview zum Life Balance Day 2016 spricht er über die Rezeption von Stress in Deutschland und wie Arbeitsplätze und Ruhezonen miteinander vereinbar sind.
Interview mit Dr. Martin Morgenstern zum Life Balance Day 2016
Herr Dr. Morgenstern, warum ist die moderne Arbeitswelt für die menschliche Psyche so belastend?
Die Belastung entsteht durch einen Mix von verschiedenen Faktoren. Zunächst ist die Arbeit in den meisten Jobs heute sehr verdichtet. Gab es früher noch Pausen zum Durchatmen, gibt es heute immer weniger Möglichkeiten sich auch auf der Arbeit einmal kurz zu regenerieren. Befragungen nach ist Zeitdruck oder zu viele Aufgaben der meist genannte Stressfaktor. Aber auch gefühlte Sinnlosigkeit in Aufgaben oder permanente Veränderung gefallen der menschlichen Psyche nicht.
Welche (langfristigen) Folgen kann unbehandelter und dauerhafter Stress haben?
Dauerhafter Stress führt zu einer Überbeanspruchung von Körper und Geist. Zunächst werden Betroffene immer leichter reizbar. Danach kommt es zu einer systematischen Erschöpfung. Das heißt die Menschen reagieren nur noch. Wird der chronische Stress jetzt nicht unterbrochen, kann es in über belasteten Körper zu verschiedensten handfesten Erkrankungen kommen. Typisch sind hier abgesehen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen auch organische Erkrankungen sowie Verdauungsschwierigkeiten.
Wie kann man trotz stressigem Berufsalltag die Gelassenheit bewahren?
Wichtig ist, sich mit einem gestressten Lebensgefühl nicht abzufinden. Betroffene können lernen, für sich Lösungen zu testen und zu entwickeln. Der Lösungsprozess beginnt damit, sich in der Selbstwahrnehmung zu üben. Die Lösungen können sich dann auf der mentalen, der körperlichen wie auch der Umwelt-Ebene befinden. Ein ganz wichtiger praktischer Tipp von mir ist, ganz besonders auf Schlaf und kleine Ruheinseln im Tag Wert zu achten.
Wie wichtig ist eine richtige Freizeit- und auch Arbeitsplatzgestaltung?
In der Freizeit gilt, sich zunächst keinen unnötigen Freizeitstress zu machen. Manchmal ist es gerade in stressigen Zeiten ein toller Gegenpart, einfach in der Freizeit mal nichts zu machen. Aber natürlich freuen sich Körper und Geist über Bewegung und gesellige Treffen mit Familie und Freunden. Auch aktive Formen von Bewegung und Sport geben Ausgleich und helfen Stress abzubauen. Eigentlich weiß auch jeder Mensch was für ihn selber gerade gut ist, wenn er wirklich freie Zeit hat. Deswegen ist es das Allerwichtigste, sich kleine Zeitfenster freiboxen zu lernen, gerade wenn man gefühlt zu wenig Zeit für sich hat.
Bei der Arbeitsplatzgestaltung aus Sicht von Organisationen haben sich Ruhezonen sehr bewährt. Aus der Forschung weiß man, dass bereits 15 Minuten abschalten einen gigantischen regenerativen Effekt auf Körper und Psyche hat. Aber auch höhenverstellbare Schreibtische und ein ausgeglichenes Raumklima wirken sich positiv aus.
Auch macht es Sinn, über diagnostische Verfahren einmal zu schauen, wie sich die Mitarbeiter führen. So kann man sehr gut erkennen, welche Maßnahmen sinnvoll wären. Dann eben können auch Angebote rund um die Bereiche Bewegung, Ernährung und Stressmanagement den Mitarbeiter stärken. Grundsätzlich kann man sagen, dass sich jede Investitionen in die körperliche und geistige Gesundheit von Mitarbeitern auch für das Unternehmen rechnet .
Herr Dr. Martin Morgenstern, vielen Dank für das Gespräch und Ihre faszinierenden Einblicke. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Life Balance Day 2016.
Das Interview führte Oliver Foitzik, Herausgeber des Wirtschafts- und Mittelstandsmagazins AGITANO sowie Geschäftsführer der FOMACO GmbH.
Über Dr. Martin Morgenstern
Dr. Martin Christian Morgenstern ist Verhaltensforscher und Evolutionspsychologe. Als Experte für mentale Stärke, Persönlichkeitsentwicklung, Motivation und Stressmanagement berät, coacht und trainiert er seit über 10 Jahren Fach- und Führungskräfte, Politiker, Unternehmer und Berufssportler.
Auch ist er Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Stressmanagement und lehrt an renommierten Fachhochschulen. Seine Qualifikationen beinhalten ein abgeschlossenes Studium in Wirtschaftsrecht, ein abgeschlossenes Promotionsstudium in angewandter Psychologie sowie Zusatzausbildungen in Kommunikation, Mentaltraining, Verhaltensmodifikation und Changemanagement.
Sämtliche seiner Ansätze, Methoden und Techniken sind 100 % pragmatisch und sind wissenschaftlich State of the Art.