Smartphone-Sucht und ihre Auswirkungen

Die Zahl der Menschen, welche schon sehr lange Sklave ihrer Termine und digitalen Helfer und einfach nur noch erschöpft sind, ist gerade in den letzten 10 Jahren massiv angestiegen und im Zuge dessen auch Burnout und digitale Sucht zu einem gesellschaftlichen Phänomen geworden.

Beim Essen, am Flughafen, in der Bahn, ja sogar im Gespräch und beim Spazierengehen – überall tippen und wischen Menschen auf ihren digtal Devices herum. Von ihrer realen Umwelt bekommen sie immer weniger mit. Schade, denn so verpassen sie den kleinen Flirt und gerne auch mal die richtige Haltestelle. 

Das Internet lässt daneben auch die Grenzen zwischen Job und Privatleben immer weiter verschwinden. Eine gfu-Umfrage vom 10. August 2015 zeigt, dass 42 Prozent der deutschen Berufstätigen nach Feierabend Arbeits-Mails checken. Ebenfalls räumten auch 42 Prozent Berufstätigen ein, mit Hilfe der elektronischen Geräte während der Arbeitszeit etwa private Mails zu lesen oder im eigenen Facebook-Account zu stöbern. Die brainLight GmbH verwendet daher statt dem Begriff Work-Life-Balance auch den Begriff Life Balance.

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Auf dem brainLight Life Balance Day berichtete Ulrike Stöckle, Expertin für Digital Balance, über die Auswirkungen einer übertriebenen Smartphone-Nutzung:

· Kopfarbeiter lassen sich alle elf Minuten ablenken.

· Störfaktor Nr.1: E-Mails. Anschließend brauchen sie im Schnitt 25 Minuten, um zur ursprünglichen Aufgabe zurückzukehren.

· Nur eine Ablenkungsstunde pro Mitarbeiter kosten den Arbeitgeber im Jahr rund 25.000 Euro (Gehalt 3.500 €).

· Informationsflut in Kombination mit ständiger Ablenkung führt zur Kommunikationskrankheit „Attention Deficit Trait (ADT). Jeder zweite Manager leidet bereits darunter. Das Resultat? Krankhafter Konzentrationsverlust.

Diese Fakten sind neben den wirtschaftlichen auch mit erheblichen sozialen Folgen verbunden. Laut Experten wird die Zahl derer, die an Computer- und Online-Sucht, einem krankhaften Aufschiebe-Verhalten oder Aufmerksamkeitsstörungen, in den nächsten Jahren weiter stark ansteigen. Hier sind vor allem Kinder und Jugendliche gefährdet, da durch die Digitalisierung des ganzen Lebens schädigendes Verhalten allgemein verstärkt wird. Süchtige vernachlässigen alles: ihren Körper, ihre Familie und ihre Freunde. Fehlt das Suchtmittel, entwickeln die Betroffenen auch typische körperliche Entzugserscheinungen wie Nervosität, Zittern, Schlafstörungen und Schweißausbrüche. 

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Ab welchem Zeitpunkt es nötig ist professionelle Hilfe für eine Rettung aus der digitalen Welt zu suchen, ist schwer zu ermitteln. Denn jeder zieht die Grenze unterschiedlich, an der Computer, E-Mails oder Social-Media-Aktivitäten in seinem Alltag überhandnehmen. Neben der Menge an Informationen ist es auch der Druck, immer schneller zu reagieren, der dem modernen Menschen das Leben schwer macht. Daher ist es wichtig, dass frühzeitig ein kluger Umgang mit medialen Inhalten und neuen Kommunikationsformen vermittelt wird, um größeren Schaden zu vermeiden.

Für den Psychologen Christian Montag  gleicht das Nutzen eines Handys dem Umgang mit einem Glücksspielautomaten. Neben der Entwicklung von psychischen Störungen mit suchtähnlichen Symptomen können auch physische  Erkrankungen durch die übertriebene Nutzung von Smartphones mitverursacht werden.

Aktuell wird der Handy-Nacken, welcher eine vermutete übermäßige Belastung der Halswirbelsäule durch exzessive Smartphone-Nutzung bezeichnet, oftmals beschrieben. Um diesen vorzubeugen, ist es empfehlenswert, dass man den Kopf beim Lesen möglichst aufrecht hält, was durch eine entsprechende Position des Gerätes erreicht werden kann. Denn je aufrechter die Kopfposition, desto geringer ist die Belastung für den Nacken. Vermeiden lassen sich die Nacken- und Rückenbeschwerden ebenfalls, wenn die eine oder andere E-Mail erst später am PC gelesen wird, unter besseren Bedingungen.

Je mehr das Gehirn permanent multiplen Reizen ausgesetzt wird, desto mehr Reize wird es eines Tages fordern, desto rastloser und unkonzentrierter werden Sie. Daher ist es gut auch alle Signale an Computer und Handy einfach mal auszuschalten, die Sie darüber informieren, dass irgendjemand irgendetwas von Ihnen gerade möchte. „Vergessen Sie nicht, dass Sie der Chef sind und definieren genau, wann Sie Zeit haben und somit verfügbar sind.“, sagt Stöckle. 

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In der Psychologie spricht man absichtlich nicht von Smartphone-Sucht, sondern von Internetsucht, da das Smartphone nur ein Teil des Phänomens darstellt.

Dr. Silke Naab, Chefärztin der Schön Klinik Roseneck und Leiterin der Jugendabteilung warnt: „Natürlich ist nicht jeder rege Nutzer gleich therapiebedürftig.“ Um die fließenden Übergänge und schwer fassbaren Grenzen zwischen Sucht und „normaler“  Internetnutzung zu erfassen, stuft man die Nutzer in der Psychologie in vier Typen (Typ D, Typ C, Typ B und Typ A) ein. Ernsthafte Sorgen muss man sich laut der Expertin Dr. Naab allerdings erst um einen Typ A-Nutzer machen, der als wirklich süchtig und im Internet „gefangen“ gilt und deshalb andere Dinge und soziale Beziehungen vernachlässigt, sich abkapselt und nur noch in der digitalen Welt lebt.

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Tipps der Expertin für Digital Balance

Eine übertriebene Nutzung des Smartphones kann auch zu einer psychischen Abhängigkeit – einer „Smartphone-Sucht“ – führen. Selbstverständlich haben Wissenschaftler für dieses Phänomen auch einen Begriff definiert. Man spricht hier von einer sog. Nomophobie, was aus „No Mobile Phone Phobia“ und auf Deutsch „Keine-Handy-Angst“ bedeutet.

· Offline in den Tag zu starten, d.h. keine Nutzung von digital Devices vor dem Frühstück.

· Die erste Stunde des Tages zur Planung und Priorisierung der Aufgaben nach dem Pareto-Prinzip nutzen.

· E-Mail ist ein Ping-Pong-Problem. Senden Sie 30 Prozent weniger E-Mails, dann erhalten Sie auch 30 Prozent  weniger Mails retour. Ein persönliches Gespräch Face-to-Face ist immer noch am wirkungsvollsten.  

· Feste E-Mail-Öffnungszeiten zu definieren und keine Rund um die Uhr Erreichbarkeit mehr.