Prof. Dr. Christoph Tiebel, Studiendekan der Reinhold Würth University in Künzelsau, forscht im Bereich emotionale und soziale Intelligenz. Moderne Kommunikationsformen in Verbindung mit sozialneurologischen Erkenntnissen bilden für ihn eine stabile Basis für eine erfolgreiche Mitarbeiterführung und somit für wirtschaftlichen Erfolg. Im Interview zu seinem Auftritt beim Life Balance Day 2016 in Aschaffenburg am 17. September, spricht er über die Chancen für Unternehmen durch richtige Kommunikation.
Interview mit Prof. Dr. Christoph Tiebel zum Life Balance Day 2016
Hallo Herr Prof. Dr. Tiebel, warum müssen sich Führungspersönlichkeiten von alten Kommunikationsmustern verabschieden?
Alte, oftmals sehr vereinfachte, Strukturen sind den neuen Herausforderungen der Unternehmen anzupassen: Wenn Unternehmen auf der Kippe stehen oder wenn Veränderungen durch Wachstum anstehen, müssen Mitarbeiter mit Wertschätzung und Würde behandelt werden. Doch wie kann das erfolgreich umgesetzt werden? Die Wahrnehmung und Beachtung ihrer Emotionen sind essentiell für eine neue und wertschätzende Kommunikation der Veränderung.
Wie sehen moderne Kommunikationsmuster heute aus?
Moderne Kommunikation fängt bei der Wahrnehmung an. Die Wahrnehmung eigener Emotionen und die des Gesprächspartners. Das ist der wichtigste Schritt. Nun kommt das Emotionsmanagement: Was macht diese emotionale Situation mit mir und der Gesprächssituation? Selbstreflexion und Empathie sind nun gefragt. Jetzt kommt die soziale Kompetenz ins Spiel: soziales Bewusstsein und soziale Fähigkeiten in ihrer Ausdifferenzierung spielen eine Rolle. Und alles soll gemeinsam und in ganzheitlichen Regelkreisen ablaufen! Doch die gute Nachricht für Einzelkämpfer: Dies alles lässt sich trainieren und erfolgreich anwenden!
Welche positiven Auswirkungen für das Unternehmen hat die richtige Kommunikation mit Angestellten und Mitarbeitern?
Schön ist, dass sich dann alle wohlfühlen! Doch genügt allein das? Gibt es nicht andere Effekte? Ja, die gibt es! Viele Studien haben nachgewiesen, dass der Anteil an Spitzenleistungen der emotional kompetenten Kommunikation 50 Prozent (neben Fachlichkeit und sozialer Kognition zu je 25 Prozent) beträgt. Dies variiert von Branche zu Branche: Im Handel kann dies bis zu 70 Prozent sein. Fazit: Spitzenleistungen werden von emotional kompetenten Führungskräften erbracht. Dies hat längst bei den großen Unternehmen Einzug gehalten: IQ-Tests allein sind nicht mehr aussagekräftig für die Besetzung von Spitzenpositionen. Längst wird dazu übergangen auch Fähigkeiten des Emotionsmanagements zu evaluieren und zu trainieren.
Welche Bedeutung hat die Sozialneurologie für die Führung und welche Lehren können Führungskräfte daraus erhalten? Welche Hilfestellung kann sie bieten?
Sozialneurologie basiert auf der Idee, dass Faktoren in der Sozialumwelt einer Person eine leistungsfähige Auswirkung darauf haben, wie sich diese Person in den Sozialsituationen benimmt und sich auf andere bezieht. Forschungsfelder der Sozialpsychologie, der biologischen Psychologie, der Psychiatrie und der Neurologie werden gemeinsam betrachtet. Beispielsweise geht es um die Rolle der Emotionen in der Entscheidungsfindung. Sie kann – exemplarisch gesehen – im Rahmen der Empathieforschung auf neuronaler Ebene das Hineinversetzen in die zu Führenden ermöglichen. Ein anderes Forschungsfeld beschäftigt sich mit der psychischen Gesundheit, bei deren Erhaltung soziale Beziehungen im Rahmen des Führungsprozesses eine grundlegende Rolle spielen. Letztendlich führt die Integration von psychologischen, neurologischen und sozialen Mechanismen zu einem ganzheitlichen Führungserfolg.
Was können Besucher von Ihrem Vortrag „Emotionale Intelligenz – das Geheimnis eines wertschätzenden und achtsamen Führens“ am Life Balance Day 2016, der am 17. September 2016 in Aschaffenburg stattfindet, erwarten?
Es wird ein kleiner Einblick in unser umfangreiches Forschungsprojekt der Reinhold-Würth –Hochschule gegeben: Training emotionaler und sozialer Kompetenzen. Mit umfangreicher Unterstützung der Würth-Stiftung konnten wir in den vergangenen drei Jahren Trainingsmethoden zum Emotionsmanagement entwickeln. Hierzu werde ich kurz die Elemente eines Emotionsmanagements aufzeigen. Anschließend zeige ich, wie wir mit unseren Co-Trainern (dabei werden Mücken, Rüben und Hexen eine Rolle spielen – lassen Sie sich einfach mal überraschen!) nachweisliche Trainingseffekte erreichen können.
Herr Prof. Dr. Tiebel, vielen Dank für das Gespräch und Ihre faszinierenden Einblicke. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Life Balance Day 2016.
Das Interview führte Oliver Foitzik, Herausgeber des Wirtschafts- und Mittelstandsmagazins AGITANO sowie Geschäftsführer derFOMACO GmbH.
Über Prof. Dr. Christoph Tiebel
Prof. Dr. Christoph Tiebel ist Studiendekan an der Reinhold Würth University in Künzelsau. Sein Lehrgebiet ist Human Ressource Management und Management Skills mit dem Forschungsschwerpunkt Training emotionaler und sozialer Intelligenz. Außerdem ist Prof. Dr. Tiebel auf den Gebieten Wirksamkeitsmessung, Beratung, Training und Coaching in verschiedenen Branchen und Unternehmen/Organisationen (z.B. Bosch, Caritas, Diakonie) zum Thema Personalentwicklung und Strategieentwicklung tätig. Er betreibt ein eigenes Seminarhaus „Nagelfluhkette“ in 1.000 m Höhe bei Oberstaufen und ist ehrenamtlich in der Rettungshundearbeit des Bayerischen Roten Kreuzes tätig.